
Heimspiel übernimmt traumapädagogische Wohngruppe
3. April 201920 Jahre Stiftung Leuchtfeuer: Traumaintervention und -therapie
Ein Vortrag von Lisa Dimanche und PD Dr. Maggie Schauer
„Gerade in der Jugendarbeit ist es sehr wichtig sich mit Traumata zu beschäftigen, da kaum ein Kind oder ein:e Jugendliche:r ohne Vorbelastungen dieser Art in die Jugendhilfe kommt.“
Lisa Dimanche
Es ist wichtig zu verstehen, dass Symptome normale Reaktionen auf abnormale Ereignisse (traumatische Situationen) sind. Es gibt drei Ebenen des Störungsbildes. Auf affektiver Ebene finden das Wiedererleben (Albträume, Flashbacks, repetitives Spielen) und starke Emotionen, wie Furcht, Angespanntheit, Aggression und Reizbarkeit, Trauer und emotionale Taubheit statt. Auf kognitiver Ebene entstehen vor allem Vermeidung, Grübeln und ein negatives Selbst- und Weltbild. Auf der dritten und letzten Ebene, der Verhaltensebene lassen sich häufig aggressives und/ oder sexualisiertes Verhalten beobachten, selbstverletzendes Verhalten, Substanzmissbrauch, oder der Verlust bereits erworbener Fähigkeiten.
Traumafolgestörungen sind ein Risiko für das Individuum und die Gesellschaft. Für das Individuum bestehen die Risiken vor allem in komorbiden und somatischen psychischen Erkrankungen, Schulabbrüchen, Arbeitslosigkeit, Beziehungsproblemen und vielen mehr. Für die Gesellschaft entstehen aus Traumafolgestörungen hohe wirtschaftliche Kosten durch Hilfen der Jugendhilfe und des Gesundheitssystems und den Ausfall der Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt. Eine Intervention lohnt sich somit immer.
Um den Betroffenen zu helfen bedarf es einer traumasensible Pädagogik. Diese beinhaltet immer eine Psychoedukation, also den Patient:innen einen Überblick und Informationen über ihren Zustand zu geben und ihnen zu erklären, dass ihre Reaktionen und ihr Verhalten völlig normal sind. Symptome sind eine Überlebensstrategie, die vielleicht nicht mehr angemessen ist und die angepasst werden muss, aber die Person ist ein:e Überlebende:r, kein Opfer. Struktur,Stabilität und Vorhersehbarkeit sind wichtig für die Klient:innen und ohne Absprachen sollten so wenig Änderungen wie möglich vorgenommen werden.
Für eine traumasensible Pädagogik ist es außerdem wichtig die Risiko- und Schutzfaktoren des:der Klient:in zu beurteilen (bei Einzug z.B.) – darunter fallen zum Beispiel die finanzielle Situation, das Helfernetzwerk, oder die familiäre Situation.
* klinisch bedeutsam = der Betroffene Mensch leidet stark/ ist davon stark beeinträchtigt
** Lieber den Begriff Traumafolgestörung benutzen als PTBS (umfasst nicht alle Störungen, die auftreten können)
Im zweiten Teil des Vortrags stellte Dr. Maggie Schauer die die Narrative Expositionstherapie (NET) als eine Variante der Therapie von Traumafolgestörungen vor.
Im Gegensatz zu vielen anderen Ansätzen sagt die NET, dass eine Therapie auch dann funktionieren kann, wenn die Situation noch nicht entspannt und stabil ist. So können beispielsweise auch süchtige Menschen therapiert werden, auch wenn sie noch nicht clean sind und man kann jemanden auch im Kriegsgebiet therapieren, „wenn die Bomben noch fallen“.
Praktisch nimmt die NET die aktive, chronologische Rekonstruktion des autobiographisch expliziten, episodischen Gedächtnisses vor. Innerhalb der Therapie findet eine verlängerte Exposition der „Hot Spots“ und eine umfassende Aktivierung des Angstgedächtnisses statt, um eine Reorganisation des emotionalen Netzwerkes zu erlauben. Hierbei wird eine Bedeutungszuschreibung und Integration der kognitiven, emotionalen, physiologischen und somato-sensorischen Reaktionen in den damaligen raum zeitlichen Lebenskontext vorgenommen. Dadurch soll eine kognitive Neubewertung von Verhaltensmustern und eine Neuinterpretation der Ereignisse und deren Auswirkungen auf das gesamte Leben ermöglicht werden.
Einen Eindruck wie eine Narrative Expositionstherapie in der Praxis aussieht erhaltet ihr hier.

Dr. Maggie Schauer | Psychotraumatologin Uni Konstanz